Stadtratsfraktion Alzey
Die Fraktion besteht aus:
Jochen Hinkelmann
Am Kapellenberg 15
55232 Alzey
Tel.: 06731-7316
Detlev Neumann
(Frakionssprecher)
Am Grün 9
55232 Alzey
Tel.: 06731-6663
Ortsverband Alzey

gruene-stadtrat-alzey(at)kabelmail.de

Freiheit für den Obermarkt!

Die GRÜNEN wollen, dass der Obermarkt bei einer Neugestaltung weitgehend autofrei gehalten wird. Die Stadtratsfraktion hat sich einem so lautenden Beschluss des Stadtrates vom November 2008 angeschlossen. Die von den GRÜNEN bevorzugte gesamte autofreie Neugestaltung des Platzes war nicht mehrheitsfähig.

Der Verkehrsverein Alzey hatte Ende 2010 eine Unterschriftenaktion initiert, die zum Ziel hatte, dass die Parkplätze auf dem Obermarkt im Falle einer Neugestaltung weitestgehend erhalten werden sollen. Die Parkplätze wären für die Geschäfte in der Innenstadt unverzichtbar. Die Umstände dieser Aktion zeigen nach Auffassung der GRÜNEN im Stadtrat, dass hier bis unmittelbar vor den Landtagswahlen eine von maßgeblichen CDU-Leuten initiierte politische Kampagne gefahren wurde. Zu den Hintergründen hier weitere Informationen (die in den nächsten Tagen präsentiert werden).

Themen:

1) 21.03.2011 - Antrag der FDP im Stadtrat, den Grundsatzbeschluss zurückzunehmen, dass der Obermarkt bei einer Neugestaltung weitgehend autofrei gehalten werden soll. Der Antrag erhielt 12 Ja-Stimmen von CDU und Bürgermeister, FDP und Linken. 17 Nein-Stimmen kamen von SPD/FWG und GRÜNEN.

Dazu Redebeiträge der GRÜNEN

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a)

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Stadtratsfraktion Alzey

Ratssitzung am 21.03. 2011

TOP I/7: Antrag zur Neubehandlung des Ausbaus des Obermarktes (…) Antrag der FDP



Eine seit Monaten laufende Kampagne, angestoßen von maßgeblichen CDU-Leuten – ob Parteimitglied oder nicht –, will den Obermarkt als Parkplatz festschreiben. Über den Umweg Verkehrsverein, mit freundlicher Begleitung durch die Allgemeine Zeitung, wurde das forciert. Die wechselseitigen Verflechtungen sind bekannt. Die FDP hat sich jetzt der Kampagne angeschlossen – schwarz-gelb will sich präsentieren, als hätte man tragfähige Konzepte. Schließlich sind am Sonntag Landtagswahlen. Die Terminplanung der Kampagne stimmt insofern.


Wenn diese Kampagne Erfolg hätte, würden wesentliche Vorhaben in in wichtigen Teilen durchkreuzt. Stichworte: Einzelhandelskonzept und Mobilitätskonzept.


1) Einzelhandelskonzept


Im Einzelhandelskonzept heißt es: „Als städtebauliche Vision wird eine

autofreie Neugestaltung des Obermarktes zu einem vitalen, vielfältig nutzbaren, urbanen Platzraum angeregt.“ Der Stadtrat hat sich für eine weitgehend autofreie Variante entschieden. Die Innenstadt soll attraktiver werden – nicht für Autos, sondern für Menschen. Die Menschen sollen sich in der Stadt aufhalten, nicht mal nur kurz zum Obermarkt düsen, schnell ne Kleinigkeit einkaufen und ab geht’s wieder. Mit dem Ausbau der Fußgängerzone ab 1978 hat man begonnen, die Innenstadt attraktiver zu machen. Dieser Weg sollte konsequent weiter gegangen werden.


Die Probleme im Einzelhandel sind nicht durch angeblich fehlende Parkplätze bedingt. Fachleute, die in der Vergangenheit den unabhängigen Blick von außen auf die Alzeyer Verkehrsverhältnisse geworfen haben, sehen die Sache objektiver, als manche Einheimischen. Einer sagte mal: „Parkplätze sind in Alzey zwar Thema, aber kein Problem.“ Das spricht Bände.

Trotz der reichlichen Ausstattung mit Parkplätzen herrschen im Einzelhandel schon längere Zeit Probleme – in Alzey wie anderswo.

Da sind die Ursachen in langfristigen und aktuellen Entwicklungen in den neoliberal geprägten Gesellschaft zu sehen – eine gewaltige weltweite Krise, Konzentrationsprozesse in der Wirtschaft, fortschreitende Umverteilung von unten nach oben und dadurch bedingte schwache Kaufkraft großer Teile der Bevölkerung, Strukturwandel u.a.. Wenn hier nicht politische Veränderungen durchgesetzt werden, wird sich auch vor Ort die Lage nicht verbessern. Aber hier sind Fragestellungen und Lösungen erforderlich, die gehen ans neoliberale Eingemachte. Da geht man lieber nicht dran. Parkplätze als das große Problem zu stilisieren, ist dagegen viel eingängiger, das erzeugt Applaus und man muss sich keine weiteren Gedanken machen.


1) Mobilitätskonzept


In der Ausschreibung zum Mobilitätskonzept heißt es:

„Mit dieser Bezeichnung wird ausgedrückt, dass dem Konzept ein umfassendes Verständnis der Mobilität von Einwohnern und Besuchern zu Grunde liegen soll, das alle Verkehrsarten und alle Verkehrsmittel in ihrem Zusammenspiel und mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen beinhaltet. Die Verkehrsmittel Fuß, Fahrrad, Auto und Öffentlicher Personennahverkehr sind daher integriert zu betrachten.“


Das Mobilitätskonzept wird die ganze Bandbreite der Beweglichkeit in der Kleinstadt im Zusammenhang mit den Bedürfnissen der Menschen und den Erfordernissen der Stadtentwicklung, der Verkehrspolitik, des Umwelt- und Klimaschutzes darstellen und Alternativen zum Kfz-Verkehr aufzeigen. Es beinhaltet u.a. ein Parkraumkonzept Und der Obermarkt hat wirklich besseres verdient, als Autoabstellplatz. zu bleiben. Die Probleme, die der Zustrom und der Suchverkehr mit sich bringen. sollen mit dem Mobilitätskonzept angegangen werden. Mobilität ist auch ohne Auto möglich – tatsächlich! Und diejenigen, die wirklich auf's Auto angewiesen sind, werden im Mobilitätskonzept berücksichtigt werden. Der Kfz-Verkehr ist in Alzey längst zum erheblichen Problem geworden. Sehen Sie sich die Staus auf der Kreiselroute doch mal an. Der Obermarkt ist ein Teil dieser Problemlage. Hier müssen Alternativen entwickelt werden – mit dem Mobilitätskonzept.


Wir wissen, dass viele am liebsten mit dem Auto bis an die Ladenkasse fahren würden. Eine solche Drive-in-Mentalität kann aber nicht Maßstab für die Stadtentwicklung sein. Das Motto „Freie Fahrt für freie Bürger!“ ist so alt wie falsch. Diese Kampagne setzt auf die Bequemlichkeit vieler Menschen. Das kommt natürlich an, man wird als Autofahrer gebauchpinselt. Man wird geradezu gedrängt, sich keine weiteren Gedanken zu machen.


Diese Aktion gewinnt ihre Perspektive aus dem Blick durch die Windschutzscheibe. Sie ist konzeptlos und rückwärtsgewandt. Ein „Weiter so!“ auf dem Obermarkt würde heißen, man beharrt auf dem Bestehenden und vergibt Chancen für eine positive Entwicklung.

(Detlev Neumann)

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b)

Obermarkt


Die Kampagne des Verkehrsvereins hat keine neuen Erkenntnisse gebracht: Vage Aussagen, wie man sich hier die Neugestaltung vorstellt, finden sich in der AZ vom 12.2.11:


Überwiegend Parkplatz, ein Teil Grünanlage mit Ruhebänken. In früheren Aussagen wurden Zufahrtsschranken gefordert. So kann man einen Hinterhof oder einen Werkshof gestalten, aber keinen zentralen Platz der Innenstadt. Mit Urbanität und Belebung der Innenstadt hat das nicht das geringste zu tun. Damit wäre sogar die Durchführung der bisherigen Veranstaltungen (Jahrmärkte) gefährdet. Von zusätzlichen gar nicht zu reden.


Das ist absolut konzeptlos. Man glaubt die Innenstadt zu retten, indem man die Drive-In-Strukturen des Industriegebiets imitiert. Anstatt mutig die Vorschläge von Dr. Acocella aufzugreifen, beharrt man aus lähmender Angst auf dem Bestehenden. Das wird mit Sicherheit die Abwärtsspirale verstärken.


Zukunft verspricht nur, sich auf die Stärken der mittelalterlichen Stadtstruktur zurück zu besinnen. Einmal wurde das gewagt, nämlich mit dem Ausbau der Fußgängerzone. Dieser Weg sollte konsequent weiter gegangen werden.


Immer wieder wurde eingewandt, auf dem Obermarkt gebe es keine Gastronomie. Dr. Acocella hat Beispiele gezeigt, wo in mittelalterlichen Häusern durch Entkernung und Zusammenlegung von Erdgeschossflächen neue Räumlichkeiten geschaffen wurden. Durch einen attraktiven „autofreien“ Obermarkt würde diese Gebäudezeile zu einem Filetstück.


Ein Vorbild könnte Bastia (Korsika) sein. Hier befindet sich im Zentrum ein riesiger, fast leerer Platz, aber Baum bestandenen Platz.An der Längsseite gibt es viele Cafes und Restaurants. In Alzey wäre das zwar eine Nummer kleiner. Der Platz ist zwar leer, aber immer belebt, eine Bühne des Lebens: Spielende Kinder, bummelnde Liebespaare, Skateboard fahrende Jugendliche, Flaneure, Selbstdarsteller. Dort kann man sitzen, die Weite ermöglicht Ruhe zum Beobachten, Nachdenken, Sinnieren – einfach urbanes Leben.

Es muss ja nicht immer die Toskana in Rheinhessen sein. Auch auf Korsika ist es ganz nett. Bastia, Pavillon auf dem Place St Nicolas. Der Obermarkt könnte etwas Ähnliches gut vertragen, als mobile Variante, wegen der diversen Jahrmärkte...


Die Fantasielosigkeit und geistige Leere, die wir hier geboten bekommen, ist einfach erschreckend. Dr. Acocella hat ein gutes Konzept vorgelegt. Wenn etwas eine positive Entwicklung verspricht, dann die Umsetzung seiner Studie. Eigentlich müsste der Verkehrsverein der erste Unterstützer dieses Konzepts sein. Das Gegenteil ist leider der Fall.

(Jochen Hinkelmann)