Anfrage für die Stadtratssitzung am 13.09. 2010:
Skepsis gegenüber Fusion bei Energieversorgung
Die Energie- und Wasserversorgung in Rheinhessen wird künftig von einem Unternehmen durchgeführt, an dem insgesamt 23 Stadtwerke, Städte und Verbandsgemeinden, Energiedienstleister von Kirchheimbolanden bis Mainz und der thüga-Konzern Anteile besitzen werden. Ein Konsortialvertrag beschreibt Zielsetzung und Vorgehensweise bei der Fusion. Die erste Stufe des Zusammenschlusses soll zum 1. Januar 2011 geschaffen werden.
Zunächst wird aus rechtlichen Gründen der Bereich Wasserversorgung ausgeklammert. Der Energiebereich wird in dem neuen Unternehmen "Energieversorgung Rheinhessen-Pfalz GmbH" (EVRP) zusammengefasst. Die Zusammenführung erfolgt in die derzeitige Energie- und Wasserversorgungsgesellschaft (EWG); das Unternehmen wird seinen Sitz in Alzey im Gebäude der EWG haben.
Das Stammkapital der EVRP soll 13,5 Mio. EUR betragen. Es halten in der ersten Stufe der Bäderbetrieb Alzey 16,40%, die VG Alzey-Land 1,40%, die Thüga 79,29%, die Parkhaus GmbH (Kirchheimbolanden) 2,82 % und die VG Kirchheimbolanden 0,47% des Stammkapitals.
Das endgültige Modell sieht vor, dass 10% Thüga-Anteile auf die Stadtwerke Mainz mit 6,67% und die Energiedienstleistungsgesellschaft Rheinhessen-Nahe (EDG) mit 3,33% übertragen werden.
In Alzey und Kirchheimbolanden bestehen steuerliche Querverbünde zur Finanzierung der Schwimmbäder in Alzey (Betreiber Bäderbetrieb Alzey GmbH) bzw. von Parkhaus und Stadthalle in Kirchheimbolanden (Parkhaus und Stadthalle GmbH) . Der von der Bäderbetrieb Alzey GmbH unterhaltene Bäderbetrieb soll in eine neue GmbH eingebracht werden, deren Alleingesellschafterin die EVRP sein soll.
Mit der Fusion soll angeblich der kommunale Einfluss und die kommunale Mehrheit langfristig ausgebaut und erhalten werden.
Die Grünen -Fraktion im Stadtrat sieht das Modell skeptisch. Die beiden Ratsvertreter votierten allerdings unterschiedlich: Jochen Hinkelmann setzte auf das Prinzip Hoffnung - er stimmte zu- , für Detlev Neumann waren zentrale Fakten nicht akzeptabel -er lehnte das Vorhaben ab.
Hier die beiden Redebeiträge:
Jochen Hinkelmann:
Je öfter man die Unterlagen zur Fusion durchliest, um so größer wird die Zahl der Fragen. Insofern haben wir es hier mit einer ziemlich großen Black Box zu tun.
Denn niemand weiß genau, wie die Entscheidungsprozesse laufen werden, welche Einflussmöglichkeiten seitens der beteiligten Kommunen, der Stadt- und Gemeinderäte bestehen.
Zwar ist eines der Ziele der Zusammenarbeit (Zitat) „der langfristige Ausbau und Erhalt des kommunalen Einflusses und der kommunalen Mehrheit“. Doch dürfte es für die thüga leicht sein, bei nur einer Stimme Mehrheit der kommunalen Vertreter in der Gesellschaftsversammlung Abstimmungen zu ihren Gunsten zu beeinflussen.
Zwischen hehren Zielen und der Alltagspraxis gibt es oft eine beträchtliche Kluft. Wie geduldig Papier ist sehen wir an den ökologischen Richtlinien für die Grünpflege in Alzey.
Unklar ist auch wie die Geschäftspolitik der thüga aussehen wird. Seit dem Verkauf der thüga durch Eon Ende 2009 ist sie ja in der Hand von ca. 50 kommunalen EVUs. Die Stadtwerke Hannover, Frankfurt, Nürnberg halten rund 60 Prozent. Der Rest ist Streubesitz, u.a. ist ja auch die EWG beteiligt. Bedenklich stimmt allerdings, dass die Kom9 nicht bereit war, die Initiative „Energie in Bürgerhand“ beim Kauf zu beteiligen, die sich ja konsequent für eine umweltfreundliche, dezentrale und regenerative Energieversorgung engagieren will.
In den letzten Jahrzehnten wurden im Stadtrat konkrete Schritte der Geschäftspolitik der EWG im Stadtrat diskutiert. Zum Thema Solaranlage Wartbergbad, Nahwärmeversorgung Mauchenheimer Weg, BHKW für das Lehrschwimmbecken usw. Wir sind gespannt, ob dies noch möglich sein wird. In der nächsten Stadtratssitzung steht ja unser Antrag zur Beheizung des Duschwassers im Wartbergbad auf der Tagesordnung. Wird dieser Antrag mit Verweis auf die neuen Strukturen abgebügelt?
Es gibt also gute Gründe, das neue Gebilde mit großer Skepsis zu betrachten.
Man kann es aber auch anders sehen:
In den letzten Jahrzehnten galten die Rekommunalisierung und Dezentralisierung als die Schlüsselbegriffe für eine alternative umweltfreundliche Energiepolitik. In Alzey war eine Rekommunalisierung nicht nötig, denn die EWG war ja mehrheitlich ein städtischer Betrieb. Von einer fortschrittlichen Energiepolitik war aber nichts zu spüren, das Gegenteil war der Fall. Der Stadtrat hat nie energiepolitische Vorgaben formuliert, sondern die Geschäftsberichte der EWG abgenickt. Der Schwanz wedelte in Alzey mit dem Hund. Und die EWG hat bis vor kurzem versucht alles zu blockieren. Die Solaranlage Wartbergbad, den Ausbau der Windenergie, die Nahwärmeversorgung.
D.h. für Alzey kann die Zusammenarbeit sogar Vorteile bringen.
Denn mit der Beteiligung der EDG ist Knowhow für eine andere Energiepolitik mit im Boot. Schon in der Präambel des Konsortialvertrags wird ja die Bedeutung der EDG für die Zielsetzung „Energieeinsparung, Energieeffizienz, Erneuerbare Energien“ deutlich heraus gestellt.
Auch in den Zielen der Zusammenarbeit wird der verstärkte Einsatz energieeffizienter Technologien und erneuerbarer Energien betont. Es bleibt zu hoffen, dass dies nicht nur wohlfeile Lyrik bleibt. Denn die EDG ist nur mit rund 3 Prozent beteiligt.
Vor 14 Tagen, also nach der Infoveranstaltung in der VG-Verwaltung, habe ich lange mit Herrn Zeis, dem Leiter der EDG telefoniert. Er hält den Konsortialvertrag für ein, so wörtlich, „gescheites Modell“. Er geht davon aus, großen Einfluss ausüben zu können. So will die EDG z.B. bei Tiefbauarbeiten sofort intervenieren, um die Voraussetzungen für eine spätere Nahwärmeversorgung zu schaffen. Herr Zeis rechnet damit , dass das Knowhow der EDG von den Partnern deutlich stärker abgefragt wird.
Ein weiterer Aspekt für die Fusion ist die wirtschaftliche Entwicklung. Von 2007 zu 2008 hat ja die EWG Einbußen von 6,8 Prozent hinnehmen müssen. Die EWG hat 54 Prozent, die Stadtwerke Kibo 76 Prozent der Stromkunden verloren. Und der Wettbewerb auf dem Gasmarkt hat gerade erst begonnen. Tante-Emma-Strukturen, überspitzt gesagt, sind angesichts der Oligopolstrukturen auf dem Energiemarkt nicht überlebensfähig. Und die Bundesregierung tut ja alles, um die Marktmacht der vier Großkonzerne zu erhalten. Ein EVU, das ums Überleben kämpft, wird auch nicht bereit sein, Investitionen in eine nachhaltige Versorgung vorzunehmen.
Wie sich die Sache entwickelt bleibt abzuwarten. Wir schwanken zwischen großer Skepsis und dem Prinzip Hoffnung. Deshalb werden wir unterschiedlich votieren.
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Detlev Neumann:
Ich stimme gegen diese Vorlage zu TOP I/1
Aus den uns vorliegenden Papieren ergeben sich folgende Fakten, die nicht akzeptabel sind.
1) Das Wartbergbad (und Hallenbad) wird vom Bäderbetrieb auf eine GmbH übertragen, die zu 100% der neuen Energieversorgung Rheinhessen-Pfalz (EVRP) gehört. Das Wartbergbad wird der städtischen Regie damit weitgehend entzogen.
2) Übergewicht der Thüga: Die Thüga wird einen Kapitalanteil von 79,29 % an der EVRP halten. Im Falle der EWG sind das 38%. Beim endgültigen Modell wird thüga noch 69,29% halten. Das ist nicht angemessen.
Im Konsortialvertrag ist vereinbart, dass die Thüga (und die anderen privaten Gesellschafter) ihr Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung zu weniger als der Hälfte der Geschäftsanteile ausübt.
Aufgrund dieser Vereinbarung liegt die einfache Stimmrechtsmehrheit in den Gesellschafterversammlungen also bei den Gebietskörperschaften, wenn diese einheitlich abstimmen. Wenn sie aber nicht einheitlich abstimmen hat die Thüga freie Hand. Mehrheiten lassen sich bekanntlich organisieren.
Außerdem lassen sich auch Konsortialverträge ändern.
In den angestrebten künftigen Strukturen werden der Einfluss der kommunalen Parlamente und die demokratische Kontrolle zwangsläufig weiter abnehmen. Privatwirtschaftliche Logik wird beherrschend sein.
3) Erneuerbare Energien: Die EDG soll gewissermaßen zuständig werden für den Bereich der erneuerbaren Energien. Sie ist dafür kompetent. Allerdings wird sie im endgültigen Modell der Fusion nur 3,33% Anteil halten. Ein Einfluss, der doch begrenzt ist und die Erfahrungen der Vergangenheit, die hier vor Ort zu machen waren, was den Umstieg auf die Erneuerbaren angeht, sind auch eher ernüchternd.