Stadtratsfraktion Alzey
Die Fraktion besteht aus:
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Detlev Neumann
(Fraktionssprecher)
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Ortsverband Alzey

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Grüne: Steinbruch Kalkofen erhalten
Blick vom Wartbergturm auf den Steinbruch Kalkofen und die umliegenden Halbtrockenrasen. Etwa 3,7 ha Fläche sollen überbaut werden, wenn es nach dem Willen des Investors Faber geht.

Vor einem Jahr, am 28. Juni 2010 verabschiedete der Stadtrat einen Rahmenvertrag mit der Alzeyer Baufirma Wilhelm Faber GmbH, der zum Ziel hat, dem Investor zu ermöglichen den Steinbruch Kalkofen zu verfüllen und dort ein Baugebiet zu schaffen. Es soll sich um ein Baugebiet für die besser Betuchten handeln, ein „Premiumbaugebiet“ mit dem schönen Namen „Sonnenberg“. Manche hoffen, dass dann die Reichen und Schönen in Scharen nach Alzey ziehen und sich auf einer stillgelegten Deponie ansiedeln. Der Einzelhandel und der städtische Haushalt sollten durch diese Klientel aufgepeppt werden. Die GRÜNEN halten das für Scheinargumente und Wunschdenken. Sie vermuten, es gehe vor allem um die Möglichkeit, Deponievolumen zu erschließen.

In der Ratssitzung am 20. Juni 2011 soll nun über die Änderung des Flächennutzungsplanes und über die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 19b „Am Kalkofen – Sonnenberg“ entschieden werden.

Die Alzeyer GRÜNEN haben sich stets für den Erhalt und die Entwicklung des Gebietes eingesetzt, das ein für Alzey einmaliger Landschaftsbestandteil ist (http://www.gruene-alzey-worms.de/stadtrat-az.htm#steinbruch / http://www.gruene-alzey-worms.de/download/gruene-seiten-alzey-09.pdf / http://www.gruene-alzey-worms.de/positionen/kalkofen-anfrage-bi.htm).

Vor allem aber gehen die naturschutzfachlichen Stellungnahmen und die politischen Entscheidungen der Vergangenheit in den städtischen Gremien zum Thema Bebauung des Gebietes Kalkofen seit vielen Jahren in Richtung Erhaltung und Entwicklung des Gebietes. Nun aber sollen diese wohl begründeten fachlichen Argumente nicht mehr gültig sein? Das ist nicht zu vermitteln.

Seit längerer Zeit hat sich eine sehr engagierte überparteiliche Bürgerinitiative des Themas angenommen und setzt sich für die Erhaltung des Steinbruchs ein. Deren fundierte Arbeit könnte noch einen Umschwung herbeiführen.

Für das Baugebiet wurden Ausgleichsflächen westlich des Seckentaler Weges (Fortsetzung Talstraße) festgelegt, die kleiner sind als das Baugebiet. Dieses Flächenverhältnis erscheint schon fragwürdig angesichts der strukturellen ökologischen Vielfalt des Gebietes Kalkofen und seiner Wertigkeit. Diese ist weder auszugleichen noch zu ersetzen. Darüber hinaus lässt der aktuelle Zustand der benannten Ausgleichsflächen mehr als zu wünschen übrig. Ein Teil dieser Flächen ist ein ausgekoffertes Areal, auf dem Splitthaufen und ausgebleichte Baumstämme gelagert sind (Fotodokumentation).

Die GRÜNEN haben Argumente zusammengestellt, die gegen eine Verfüllung des Steinbruchs und eine Bebauung sprechen. Im Folgenden eine Zusammenfassung. Eine ausführliche Fassung findet sich hier (Download 2,9 MB).


1. Geologie, Paläontologie (Fossilien)

Der Steinbruch Kalkofen ist der letzte von ehemals vier Steinbrüchen bei Alzey und Weinheim. Insgesamt acht geologische Auflassungen (vier Steinbrüche und vier Sandgruben) dokumentierten die Meeresküste des Mainzer Beckens im Oligozän (vor 33,9 Mio. Jahren bis 23,03 Mio. Jahren) mit Sanden, Steinen und Fossilien. Die Weinheimer „Trift“ (Naturdenkmal) und der Steinbruch Kalkofen (nicht unter Schutz stehend) sind noch erhalten. Wir haben hier ein erdgeschichtliches Dokument vorliegen.

2. Natur

Für die artenarme Alzeyer Gemarkung hat das Gebiet des Kalkofens mit den umliegenden Halbtrockenrasen eine besondere Bedeutung als vielfältiger Lebensraum mit hohem Potential für Pflanzen und Tiere. Es hat für viele aus den umliegenden Wohngebieten schon eine Naherholungsfunktion bekommen. Das Areal ist ein unverwechselbarer und prägender Landschaftsbestandteil; den Steinbruch mit seinen wertvollen Felswänden und Lösshängen und die Halbtrockenrasen können auch noch so große Ausgleichsflächen nicht ersetzen.

Es ist auch davon auszugehen, dass das Gebiet Kalkofen nach bundes- und landesrechtlichen Vorschriften geschützt ist, auch wenn es nicht in die Biotopkartierung aufgenommen wurde.

3. Flächennutzungsplanung, Bauleitplanung

Die Flächennutzungsplan sieht bisher für das Gebiet den Erhalt, die Pflege und Entwicklung der Biotopstrukturen vor: Entwicklung eines Halbtrocken-/ Magerrasens am Schießplatz. Nach dem nicht rechtskräftigen Bebauungsplan Kalkofen von 2006 sind die hochwertigen Bereiche der Fels- und Lösswände im Steinbruch zu schützen und weiterzuentwickeln.

Für den Verbrauch von Grund und Boden für Bauzwecke gelten nach Baugesetzbuch des Bundes und den Vorgaben des Landesentwicklungsprogramms LEP IV Regeln, die durch das Bauprojekt Kalkofen wohl gebrochen würden.

4. Wohngebiet beim Kalkofen

Ein neues Wohngebiet „Ober dem Kalkofen“, für das 1998 und 2002 der Flächennutzungsplan geändert werden sollte, wurde seitens der Landespflege, des Beirates für Landespflege und der anerkannten Naturschutzverbände abgelehnt, weil das Landschaftsbildpotential bei einer Widmung als Siedlungsflächen erheblich beeinträchtigt wird. Der FNP wurde diesbezüglich nicht geändert. Lediglich die Sohle des Steinbruchs und die Fläche südlich davon an der Robert-Koch-Str. wurden nach dem Bebauungsplan Kalkofen Bauland.

Es sind überreichlich (mögliche) Bauflächen vorhanden: Mauchenheimer Weg, Rennweg, Wartbergterrassen, Mehlbergweg und in den Vororten. Baugebiete in Menge aber kein Bedarf: Beim Mauchenheimer Weg wurden Ende 2009 die Bauabschnitte III und IV aus dem Bebauungsplan herausgenommen, weil kein Bedarf besteht und die demographische Entwicklung diesen auch nicht absehen lässt. Ebenfalls mangels Nachfrage nach Bauplätzen wurde das Umlegungsverfahren in Weinheim (Auf den fünfzig Morgen) eingestellt.

Ein Blick in die Baugebiete wie Mauchenheimer Weg, Rennweg, Wartbergterassen zeigt, dass nicht einmal diese Flächen nachgefragt werden. Die demographische Entwicklung wird für Alzey voraussichtlich einen Bevölkerungsrückgang von 2005 bis 2020 von etwa 459 Personen mit sich bringen. Vor diesem Hintergrund soll ein weiteres Neubaugebiet für etwa 600 Neubürger nötig sein? Ziemlich unrealistisch.

5. Wohngebiet für die Oberschicht?

Der Investor plant mit seinem Neubaugebiet „Sonnenberg“ ein Sondergebiet für Besserverdienende. Abgesehen davon, dass diese Klientel vielleicht doch lieber im Original – Wiesbaden-Sonnenberg – oder im Taunus siedelt, widerspricht ein solches Vorhaben der sozialpolitischen Notwendigkeit von ausgewogen gemischten Bewohnerstrukturen in den Wohngebieten.

Schlussfolgerung:

Ein Verlust des Gebietes Steinbruch und Trockenrasen kann weder ausgeglichen noch ersetzt werden. Die Verfüllung und Überbauung des Steinbruchs und der Trockenrasen wäre ein nicht wieder gutzumachender Schaden für den Artenschutz und die Landschaftspflege in Alzey. Das muss verhindert werden.

Nachtrag zum Rahmenvertrag von 2010:

Der Investor hat in der Allgemeinen Zeitung Alzey (10.06.10) geäußert, das Land müsse jährlich zwischen zwei und fünf Millionen Kubikmeter Material unterbringen, wie das, das im Steinbruch deponiert werden soll. Im Rahmenvertrag ist festgelegt, dass der Investor im Falle der Vertragskündigung eine Vertragsstrafe zahlen muss. Den Sitzungsunterlagen vom 28. Juni 2010 ist eine Berechnung der Verwaltung über den Gewinn aus dem Betrieb der „Kippe“ Kalkofen beigefügt, nach der die Höhe der Vertragsstrafe bestimmt wurde. Diese Aspekte legen den Schluss nahe, dass es nicht zuletzt darum geht, für eine gewisse Zeit eine Deponie zu betreiben und Material „unterzubringen“.

Das Szenario könnte sich dann so darstellen, dass Alzey eine „Kippe“ bekommt, es sich dann aber herausstellt, dass das kaufkräftige Publikum doch kein Interesse hat, auf einer Deponie zu bauen und das Projekt „Sonnenberg“ aus wirtschaftlichen Gründen nach erfolgreicher Verfüllung des Steinbruches aufgegeben wird. Leider, leider … Die festgesetzteVertragsstrafe wäre voraussichtlich geringer, als der per-Saldo-Ertrag aus der Verfüllung des Steinbruchs. Alzey hätte dann aber womöglich ein weiteres teils oder ganz brach liegendes Baugebiet in exponierter Lage. Dafür aber einen einmaligen und ökologisch wertvollen Bestandteil seiner Landschaft unwiderruflich verloren.