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Schäuble pur:

CDU will Treffpunkte von Jugendlichen ohne Anlass dauerhaft überwachen lassen

GRÜNE: Generalverdacht gegen Jugendliche absurd / Falsche Mittel gegen gesellschaftliche Fehlentwicklungen / verschärfte soziale Lage als eine Ursache / Konflikte durch Moderation wie durch die "Thérapie sociale" lösen / Musterbeispiele in Rheinland-Pfalz

In der Stadtratssitzung am 23.11. 2009 stellte die CDU-Fraktion den Antag, einen Arbeitskreis einzuzusetzen, "bestehend aus Vertretern der Fraktionen, der Polizei, des Ordnungsamtes und der Verwaltung mit dem Ziel ein Ordnungs- und Sicherheitskonzept für die Stadt Alzey zu entwickeln." Zentrales Ziel dabei ist, Treffpunkte von Jugendlichen oder jungen Erwachsenen im Stadtgebiet unter ständige polizeiliche oder ordnungsbehördliche Überwachung zu stellen: "... die bekannten Brennpunkte dauerhaft zu bestreifen und einen notwendigen Kontrolldruck aufzubauen". Damit sollen nach Glauben der CDU Ruhestörungen, Vandalismus und Alkoholkonsum von Jugendlichen unterbunden werden.

Die GRÜNEN haben zu diesem Thema, das seit längerem immer wieder forciert wird, stets klar Stellung genommen. Probleme sind vorhanden, aber Treffpunkte von Jugendlichen dürfen nicht von Vorneherein als "Brennpunkte" klassifiziert werden - Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten können längst geahndet werden - die wirkliche Sicherheit ist höher, als die durch Einzelfälle suggerierte gefühlte (Un-) Sicherheit - Konflikte haben Ursachen, denen nicht durch unterschiedslose Repression begegnet werden kann - zivile Instrumente der Gemeinwesenarbeit wie die "Thérapie sociale" müssen angewandt werden - Jugendliche haben das Recht auf Freiräume.

Unten der Redebeitrag der GRÜNEN im Stadtrat.

Bündnis 90/Die Grünen

Stadtratsfraktion

Ratssitzung am 23.11. 2009, TOP I/2 - Entwicklung eines Ordnungs- und Sicherheitskozeptes - Antrag der CDU-Fraktion

 

Der Antrag der CDU, einen Arbeitskreis zu bilden ist überflüssig. Mit dem Thema befasst sich schon längst der Präventionsrat; letzten Dienstag hat er darüber beraten; morgen das nächste Mal.

Es macht keinen Sinn, ständig weitere Arbeitskreise zu bilden. Nötig ist allerdings eine regelmäßige Information des Stadtrats über die Arbeit des Präventionsrats (und anderer Arbeitskreise).

Die inhaltliche Positionierung des Antrages lehnen wir ab. Für Fälle von Ruhestörung, Vandalismus und andere Missetaten gibt es längst Möglichkeiten, diese zu ahnden. Wir haben bereits in der letzten Sitzung darauf hingewiesen: Polizei- und Ordnungsbehördengesetz, Landesimmissionsschutzgesetz, die lokalen Satzungen und bei Straftaten eben das Strafgesetzbuch.

 Der CDU-Antrag will aber eine permanente und Anlass unabhängige Kontrolle von Jugendlichen und/oder jungen Erwachsenen, die es wagen, sich irgendwo im Stadtgebiet unter freiem Himmel zu treffen – an Wochenenden und in lauen Sommernächten...

 Das ist Schäuble pur und mit uns nicht zu machen. Es herrscht im Lande längst eine weit verbreitete Überwachungsmentalität. Im aktuellen Fall sind es junge Leute, die erstmal unter Generalverdacht gestellt werden – die könnten ja laut werden, anfangen zu pöbeln oder gar gewalttätig werden.

Jugendliche haben keine Lobby, da kann man ja mal so richtig angebliche Stärke zeigen.

 Jugendliche registrieren aber sehr genau, ob ihnen Vorhaltungen begründet oder unbegründet gemacht werden. Wenn schon die bloße Anwesenheit Grund für ständige polizeiliche / behördliche Kontrollen ist, erzeugt das bei Jugendlichen Gefühle von Hilflosigkeit, Resignation, Verbitterung, Zorn ...

 Den Vorschlag, öffentliche Aufgaben an private Sicherheitsfirmen zu übertragen, lehnen wir ab.

 Zum angepeilten Verbot, an Tankstellen nach 22 Uhr Alkohol zu verkaufen:

1) Es gelten Jugendschutzgesetze – auch an Tankstellen.

2) Nach 22 Uhr darf an Tankstellen ohnehin nur Reisebedarf abgegeben werden. Der Kasten Bier mit Korn für die Nachtfahrt oder die Freiluftparty dürfte also dazu nicht gehören.

 Ansonsten gilt: Prohibition hat noch nie funktioniert.

Man sollte sich lieber Gedanken darüber machen, was die Gründe für Alkoholkonsum und  -missbrauch bei Jugendlichen sind. Aber das würde unweigerlich zum Thema der sich für große Bevölkerungskreise weiter verschärfenden sozialen Lage führen. Gesellschaftliche Verwerfungen blendet man aber lieber aus.

 Zusammengefasst: Hier wird mit den falschen Mitteln gearbeitet. Gesellschaftliche Fehlentwicklungen bleiben bestehen.

Statt auf breite und undifferenzierte Repression zu setzen, ist bei Problemen eine fundierte Sozialarbeit auch mit Streetworkern nötig. Hier wäre der Ansatz für kommunales Handeln.

Man kann nicht jeden Treffpunkt von jungen Leuten präventiv zum Brennpunkt erklären. Jugendliche brauchen Freiräume, wo sie nicht ständig unter Kuratel stehen.

 Ein wirksames Instrument zur Aufarbeitung von Problemen im Gemeinwesen ist die vom Soziologen Charles Rojzman entwickelte „Thérapie sociale“. Sie wurde aus den Erfahrungen mit den Jugendunruhen in den französischen Banlieus der 80er Jahre zur zivilen Konfliktlösung entwickelt und angewandt. Das Ziel der Thérapie sociale liegt darin, Menschen mit verschiedenen Werten, kulturellen Hintergründen und aus unterschiedlichen sozialen Schichten zum Zusammenleben und Arbeiten zu befähigen.

In Rheinland-Pfalz haben sind mir zwei Städte bekannt, die Programme nach der Thérapie sociale durchführen: Germersheim und neuerdings Bad Sobernheim.

Wir wollen dieses Thema hier nur kurz andeuten; im Zusammenhang mit dem Projekt soziale Stadt werden wir darauf zurück kommen.

Detlev Neumann

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Aus der Geschichte:

Alzey, Mitte der Siebziger-Jahre des 20. Jahrhunderts: Viele Jugendliche, die sich gerne im Alzeyer Schlosspark trafen, wurden regelmäßig vom damals real existierenden Parkwächter vertrieben, nur deshalb, weil sie da waren. Der Mann war ein Unikum und gelangte zu Berühmtheit. Zur Fastnacht wurde dies von Jugendlichen mal auf die Schippe genommen: mit Sheriffstern, Ordnerarmbinde und Gummiknüppel zur Warnung an alle Unbotmäßigen!