Presse, 14.01. 2010:
Sanierungsplanung will wichtige und prägende Gebäude dem Abriss preisgeben / Änderungsanträge an Bauausschuss und Stadtrat
Die Grünen wollen bei der derzeit diskutierten Fortschreibung der Rahmenplanes für die Stadtsanierung erreichen, dass eine Reihe von historischen Gebäuden erhalten bleibt. In der letzten Stadtratssitzung hatte die Fraktion einen Änderungsantrag vorgelegt, der zunächst zur Vorberatung in den Bauausschuss am 14. Januar 2010 verwiesen wurde, bevor der Stadtrat darüber entscheidet.
Bei der Neugestaltung des Vorplatzes der Stadthalle („Platz der Wahrheit“) soll das ehemalige Haus Bayer (Römerstr. 5) als architektonisch prägende und erhaltenswerte Substanz konstruktiv in die Planung miteinbezogen werden. Dabei verweisen die Grünen besonders auf die durch den Altstadtverein Alzey e.V. vorgelegte Objektbeschreibung des Gebäudes von der Denkmalpflege.
Ein weiteres städtebauliches Ensemble, das durch Sanierungsmaßnahmen erhalten und entwickelt werden müsse, ist das Gebiet zwischen Glockenturmweg, Spießgasse und Friedrichstraße. Den Grünen geht es vor allem um die städtischen Anwesen Spießgasse 85 (Haus Lehne) und Friedrichstraße 3 (Unterkunft der Alzeyer Tafel). In der Fortschreibung der Stadtsanierung sind die Gebäude dieser Grundstücke zum Abbruch vorgesehen.
Dieser Bereich stelle aber einen hervorgehobenen städtebaulichen Punkt am Eingang zur Innenstadt dar. Das klassizistische Haus Spießgasse 85 wurde in die Denkmaltopographie des Landkreises aufgenommen und werde von Fachleuten der Denkmalpflege als schutzwürdig bewertet. Besonders hervorzuheben sei das Treppenhaus mit dem wohl an den französischen Stil des Directoire erinnernde Dekorelement des Liktorenbündels (Rutenbündels) mit Beil bei den Geländerpfosten. Das Haus ließ 1834-36 der damalige Advokat am Kreisgericht in Alzey, Eduard Lehne, erbauen.
Eduard Lehne (1805 1857) war Sohn von Friedrich Lehne, der sich als Jurist, Politiker, Wissenschaftler und Publizist zunächst in der Mainzer Republik von 1792/93 einen Namen machte und nach dem Ende der „Franzosenzeit“ in Mainz als Stadtbibliothekar und als Redakteur der bedeutenden „Mainzer Zeitung“ Verdienste erwarb. Eduard Lehne betätigte sich zwischen 1847 und 1856 als liberaler Politiker in der zweiten Kammer des hessischen Landtages in Darmstadt, dessen zweiter Vizepräsident er 1849 50 war. Dort vertrat er nacheinander die Wahlkreise Worms, Alzey und Osthofen. Er war 1848 im Frankfurter Vorparlament Mitglied des „Fünfziger-Ausschusses“. Nach der Niederschlagung der rheinhessischen Revolutionsbewegung von 1848 war Lehne Generalverteidiger der in Mainz wegen Hochverrats angeklagten und freigesprochenen rheinhessischen und pfälzischen Aktivisten
Die Familie Lehne spiele also eine bedeutende Rolle in der politischen Geschichte der Region Rheinhessen und der Stadt Alzey. Das neue Sanierungsprogramm der Stadt Alzey trägt den Titel „Historische Stadt“ und dem darf man in der Praxis auch gerne mal gerecht werden.
Die GRÜNEN begrüßen es sehr, dass der Altstadtverein sich entschlossen für die Erhaltung des ehem. Hauses Bayer einsetzt und die detaillierte Baubeschreibung vorgelegt hat.
In der Diskussion um das Haus Bayer wurde in jüngster Zeit namentlich seitens der CDU, des Bürgermeisters und der „Allgemeinen Zeitung“ mehrfach kolportiert, dass im Stadtrat im November 2008 der Antrag der GRÜNEN auf Erhaltung des Hauses Bayer nur eine Ja-Stimme erhielt. Das ist geeignet und von den Urhebern wohl auch dafür gedacht den Eindruck zu erwecken, die aus zwei Mitgliedern bestehende Grünen-Fraktion sei sich selbst nicht einig gewesen. Wäre ja auch peinlich, peinlich, peinlich hatten sich die GRÜNEN doch von Anfang an vor und hinter den Kulissen für die Erhaltung des Gebäudes eingesetzt. Tatsache ist allerdings, dass die GRÜNEN-Fraktion in jener Sitzung im November 2008 krankheitsbedingt durch Sabine Fleger alleine vertreten wurde.
An dieser Stelle sei daran erinnert, dass die GRÜNEN im September 2008 ihren Antrag auf Erhaltung des Hauses Bayer im Bauausschuss gestellt hatten, der dort auch mehrheitlich angenommen wurde. Bürgermeister Burkhard legte dann allerdings entgegen den Regelungen der Gemeindeordnung im Stadtrat nicht den geänderten Beschlussvorschlag vor, sondern seinen ursprünglichen (s. „Ratsbeschluss beanstandet“).