Anfrage an die Verwaltung (April 2010):
In Alzey spielen die Belange des Artenschutzes und die Notwendigkeit, biologische Vielfalt zu ermöglichen, zu schaffen und zu entwickeln, noch immer eine untergeordnete Rolle. Das zeigt sich schon in der Namensgebung für die zuständige Verwaltungsabteilung, den Fachbereich "Bauen und Umwelt". Viele "Grünpflegemaßnahmen" mit Kahlschlagscharakter sind auf heftige Kritik gestoßen aber auch Großprojekte wie die geplante Verfüllung des letzten Alzeyer Steinbruchs "Am Kalkofen" mit seinem wertvollen Lebensraum sind verheerend für Bemühungen um eine nachhaltige und ökologisch ausgerichtete Stadt- und Landschaftsplanung. Die GRÜNEN im Stadtrat haben zum Thema Artenschutz und Biodiversität eine umfangreiche Anfrage an die Stadtverwaltung gerichtet.
Anfrage zum Thema Artenschutz und Biodiversität
Die Bonner Artenschutz-Konferenz der UNO im Mai 2008 hat verdeutlicht, in welch rasantem Tempo Tiere und Pflanzen weltweit verschwinden. Durch menschliche Einflüsse vollzieht sich das Artensterben 100- bis 1.000-mal schneller, als es im natürlichen Evolutionsprozess der Fall wäre. Schätzungen zufolge verschwindet alle 30 Minuten eine Tier- oder Pflanzenart unwiederbringlich. Laut Weltnaturschutzunion (IUCN) sind jede vierte Säugetierart, jede achte Vogelart und ein Drittel aller Amphibien bedroht. Bei 70 Prozent der Pflanzen sieht es ähnlich aus. Insgesamt stehen 41.415 Tiere und Pflanzen auf der Roten Liste 2007. Auch dies macht deutlich in welchem Zustand sich unser Globus befindet.
Es besteht also dringender Handlungsbedarf auf allen Ebenen. Das Problem ist allerdings nicht neu auch nicht in Alzey.
Bereits im Landschaftsplan 1982 1990 finden sich hierzu eindeutige Aussagen. Daraus einige Zitate: „Die Tierwelt des Gebietes ist deutlich artenärmer, als etwa in den nördlich angrenzenden Gemarkungen (..); aufgrund des geringen Anteils an Wald und Feldgehölzen“. Oder: „Die Brutvogelwelt des Alzeyer Raumes ist (..) sehr individuen- und artenarm. Besonders stark dezimiert scheint im Alzeyer Raum neben der Vogelwelt insbesondere die Insektenfauna (..), sowie die Amphibienarten“. „Nahezu alle für Bienen, Hummeln und Schmetterlinge wichtigen Blütenpflanzen wurden verdrängt. Es fehlt innerstädtisches und stadtnahes öffentliches Grün mit Einbindung in die umgebende Landschaft. Die biologische Verarmung der Landschaft schreitet fort“. Als Fazit: „Beim Aufbau einer neuen Landschaft ist aber vor allem der politische Wille entscheidend, künftige planerische Entscheidungen an ihrer ökologischen Verträglichkeit zu messen und die Sozialfunktionen der Landschaft allen wirtschaftlichen Überlegungen gleichzustellen.“ Ähnliche Aussagen finden sich in der Landschaftsplanung der Stadt vom März 1994, die von den Landschaftsarchitekten Schmitz + Wünsch erarbeitet wurde.
Leider wurden und werden diese Aussagen und Forderungen von Professor Kuder in der kommunalpolitischen Praxis viel zu wenig beachtet.
.Häufig wird uns gegenüber, aber auch in der Öffentlichkeit, Kritik an unnötigen und drastischen Rückschnitten von Sträuchern auf innerstädtischen Grünflächen geäußert. Ebenso sind verschiedene Baumfällungen und Kappungen von Baumkronen bis auf kahle Stümpfe auf Kritik gestoßen.
In diesem Zusammenhang ist auch auf die hohe Bedeutung des Steinbruchs Kalkofen und die umliegenden Flächen für die biologische Vielfalt hinzuweisen.
Immerhin hat der Stadtrat im September 1989 entschieden, die Richtlinien der Stadt Wilhelmshaven für die „Ökologische Pflege und Anlage städtischer Grün- und Freiflächen“ zu übernehmen. Außerdem hat sich der Rat schon Mitte der achtziger Jahre für ein Herbizidverbot bei der Stadtgärtnerei ausgesprochen. Allerdings ist für uns nicht erkennbar, inwieweit diese Grundlagen in die Alltagspraxis einfließen.
Daher bitten wir um Beantwortung folgender Fragen zu den Themen Umwelt-/Naturschutz und Grünpflege:
1. Laut Herbizidverbot und Wilhelmshavener Konzept wird auf den Einsatz „chemischer Pflanzenbehandlungs- und Schädlingsbekämpfungsmittel“ verzichtet. Ist dies der Fall?
1.1. Wenn Ja (auch in Teilbereichen): Welche alternativen Pflanzenbehandlungs- und Schädlingsbekämpfungsmethoden werden angewandt?
1.2. Wenn Nein (auch in Teilbereichen):
1.2.1. Welche Mittel werden eingesetzt ?
1.2.2. In welchen städtischen Anwendungsbereichen werden sie eingesetzt (z.B. auf welchen Acker-/Weinbergs- oder anderen Flächen im unbebauten Außenbereich; auf Grünanlagen, Friedhof, Spielplätzen; Kindergärten / Schulen; sonstigen städtischen Liegenschaften?
1.2.3. In welchen Mengen pro Jahr?
2. Werden im Zuständigkeitsbereich der Stadt und den (mehrheitlich) städtischen Beteiligungsgesellschaften glyphosathaltige Herbizide (Typ „Roundup“ bzw. Nachfolgeprodukte) eingesetzt?
Wenn Ja
2.1. Wo?
2.2. In welchen Anwendungsbereichen?
2.3. In welchen Mengen pro Jahr?
3. Unter Punkt „3.1 Straßenbäume“ der Richtlinien heißt es: Pflegeschnitte sind auf das Notwendigste zu beschränken. Schnittwunden über 2,5 cm Durchmesser mit einem Wundheilmittel zu behandeln. Wird dieser Grundsatz in Zukunft beachtet?
4. In den Wilhelmshavener Richtlinien heißt es: „Um das Ziel der größeren Naturnähe zu erreichen, wird Rasen, soweit möglich, in Wiese umgewandelt“.
4.1. Auf welchen Flächen wurde dieser Grundsatz in den letzten 20 Jahren umgesetzt?
4.2. Sind Rasenflächen für eine Umwandlung vorgesehen und wenn Ja, welche?
4.3. Das Konzept sieht einen differenzierten Mähplan für Rasen- und Wiesenflächen vor. Hierzu werden im Anschluss sechs verschiedene Pflegestufen aufgeführt. Um hier einen Einblick zu erhalten, bitten wir um Vorlage einer Auflistung aller zu mähenden städtischen Grünflächen (und falls vorliegend) mit Angabe der jeweiligen Pflegestufe und der jeweiligen Zahl jährlicher Mähungen.
5. In den Richtlinien heißt es: „Alt- und Totholz wird dort, wo es keine Gefährdung darstellt, als Brut- und Entwicklungsstätte, z. B. für Höhlenbrüter und holzbewohnende Insekten stehengelassen“. Wo wurde entsprechend verfahren?
6. In den Richtlinien heißt es: „Die Baumscheiben der Straßenbäume sollten möglichst groß angelegt sein“. Warum wird dies vielerorts nicht umgesetzt?
7. Wer entscheidet in der Verwaltung über Art, Umfang und Ausführung von Maßnahmen der Grünpflege?
8. Werden die Mitarbeiter des Bauhofs gemäß den Pflegerichtlinien geschult bzw. angeleitet und auf Einhaltung der Richtlinien hingewiesen?
9. Werden Arbeiten der Grünpflege im Rahmen von Beschäftigungsgelegenheiten („Ein-Euro-Jobber“) durchgeführt?
Wenn Ja
9.1. Welche ?
9.2. Werden diese Personen gemäß den Pflegerichtlinien geschult bzw. angeleitet und auf Einhaltung der Richtlinien hingewiesen?
10. Wie wird sichergestellt, dass Firmen, die für die Stadt im Bereich Grünpflege arbeiten, die Pflegerichtlinien einhalten?
Noch eine Frage zum Thema Benjeshecken (Schichtholzhecken):
11. .Punktuell wurden in den Gemarkungen Anfang der Neunziger Jahre in einzelnen Gemarkungen Benjeshecken angelegt. Sie sind unserer Meinung nach eine sinnvolle und preiswerte Maßnahme für den Artenschutz.
11.1. Sind diese noch vorhanden und wie haben sie sich entwickelt?
11.2. Ist daran gedacht, weitere solcher Schichtholzhecken anzulegen?